Nach 13 sehr zufriedenen Jahren mit einem Peugeot 206 HDI wurde es langsam Zeit für ein neues Auto. Da sowas ja eine größere Investition ist und es nicht pressierte, beschloss ich, "wissenschaftlich" vorzugehen und stellte einen Katalog mit den für mich wichtigsten Eigenschaften auf - Preis, Maße und Gewichte, Fahrleistungen, Platzangebot, Komfort usw. - insgesamt 19 Kriterien, nach denen ich die in Frage kommenden Autos mit Punkten bewertete. Das Angebot in der Kompaktklasse ist schließlich riesig. Fest stand nur, dass es ein Kompaktklasse-Diesel werden sollte, mit mindestens 100 PS, 180 km/h Spitze und gutem Langstreckenkomfort.

Nach 10 Besichtigungen und 7 Probefahrten verschiedener Marken und Modelle lag der SEAT Leon 1.6 TDI Reference nach Punkten knapp in Führung. Leider zeigten die lokalen Händler kein besonderes Interesse daran, mir ein attraktives Angebot zu machen, so dass ich mich entschloss, das Auto über Europemobile GmbH (EU-Importe) zu bestellen. Dabei ergaben sich einige Abweichungen zur deutschen Ausführung, die in einem ausführlichen Verkaufsgespräch geklärt wurden. Ich strich konsequent alle unnötigen Spielereien wie Regensensor, Rückfahrkamera, Anfahrhilfe usw. weg. Als Extras blieben nur elektrische Fensterheber hinten (zwangsweise gekoppelt mit Nebelscheinwerfern und Klimaautomatik, warum auch immer), höhenverstellbarer Beifahrersitz, Ablage-Zusatzpaket und eine Spezialunterbodenversiegelung übrig. So kostete mich das Auto fix und fertig zugelassen ganze 16.092,-- Euro - nur wenig mehr als ich vor 13 Jahren für den kleineren Peugeot 206 bezahlt hatte und ca. 4.000,-- unter dem Listenpreis. Einziger Wermutstropfen bei Europemobile GmbH: die relativ lange und nicht vorhersehbare Lieferzeit. Aber Zeit hatte ich ja.
Nach einer gründlichen Einweisung bei der Abholung ging´s ans Fahren. Spontaner Kommentar meiner besseren Hälfte: "Die Sitze sind prima!" Das stimmt absolut - nicht zu hart, nicht zu weich, guter Seitenhalt, die Rückenlehne passt genau. Das Platzangebot für die Hinterbänkler ist ordentlich, mehr als zwei Rasten brauchte ich auf dem Fahrersitz aus der hintersten Position bisher nicht vorzurücken, wenn jemand hinter mir saß.

Die Sichtverhältnisse sind passabel. Leichte Einschränkungen ergeben sich durch den großen und ziemlich weit unten hängenden Rückspiegel und die flach verlaufenden A-Säulen, und bei bestimmten Konstellationen der Sitz- und Lenkradverstellung ist der Blick auf die Armaturen leicht behindert.
Die Armaturen selbst sind in Ordnung, nur beim Tacho wurde eine ungünstige, nicht sehr gut lesbare Typographie gewählt, und die Skala wird nach oben enger, so dass 170 und 180 km/h schon mal verwechselt werden können. Das ist schade und unnötig, zumal nach dem Ende der Skala bei 260 (!) km/h noch viel Platz wäre. Einzelkritik an den weiteren Anzeigen erspare ich mir hier; es würde zu weit führen, alle Varianten und Möglichkeiten des Informationssystems hier darzustellen. Nur so viel: es gibt unzählige Möglichkeiten, damit herumzuspielen und alle nötigen (und unnötigen) Informationen herauszuholen.

Ansonsten ist die Bedienung einfach und komfortabel. Das Fünfganggetriebe schaltet sich weich und doch präzise, die Abstufung der Gänge ist ok, nur der Sprung vom 1. in den 2. Gang scheint mir etwas zu groß, das könnte beim Anfahren an steilen Bergstrecken lästig werden. Im 5. Gang liegen bei 100 km/h ca. 1800 U/min an, woraus sich ein sehr niedriger Landstraßenverbrauch ergibt. Ein weiteres kleines Manko ist das weit vorne liegende Kupplungspedal, zu dessen Bedienung man sich ein leicht verlängertes linkes Bein wünscht. Aber das ist reine Gewöhnungssache.
Zu den Fahrleistungen: anfangs hatte ich den Leon Diesel mit der 2.0-Liter-Maschine mit 150 PS in Erwägung gezogen. Dieses Auto ist aber tiefergelegt und dermaßen bockhart gefedert, dass ich davon schnell Abstand nahm. Also kam nur noch der 1.6-Liter-Diesel, Schadstoffklasse Euro 6, mit maximal 110 PS, 250 Nm Drehmoment, 194 km/h Spitze und Beschleunigung 10,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h in Frage. Ich hatte zunächst Bedenken wegen des relativ kleinen Hubraums von 1.6 Litern bei 110 PS - 1.8 Liter und 120 PS wären m. E. ideal gewesen. Aber die Praxis zeigte schnell: das Motörchen ist sehr agil, zieht prima durch und ist im Teillastbetrieb, der 95% aller Betriebszustände ausmacht, erstaunlich leise. Auf der Autobahn wunderte ich mich am Anfang oft, warum die anderen alle so schleichen - bis ein Blick auf den Tacho klar machte: hoppla, du bist ja schon auf 170 ! Nur wenn er beim Beschleunigen und im Bereich der Höchstgeschwindigkeit richtig arbeiten muss, brummt der Motor etwas unwirsch und deutlich vernehmbar. Aber das tun die Menschen in dieser Lage ja auch oft... kurz und gut - der 1.6 Liter Diesel passt gut zu dem Auto und lässt kaum Wünsche offen. Nur manchmal macht sich bei eingeschalteter Klimaanlage ein winziges Turboloch bemerkbar - kein Problem, wenn man´s weiß. Angenehme Nebeneffekte des kleineren Motors sind weniger Steuern und Verbrauch. Apropos Verbrauch: bisher im Schnitt 5,5 l/100km im gemischten Betrieb, Minimalverbrauch auf Landstraßen 4,2 l/100 km.

So macht das Autofahren mit dem Leon wirklich Spaß. Zu der guten Motorleistung kommt eine sehr gute Straßenlage. Einerseits ist der Geradeauslauf hervorragend - wenn man auf der Autobahn bei 160 km/h das Lenkrad loslässt, fährt die Kiste stur geradeaus weiter - , andererseits sind auf der Landstraße durch die sehr präzise Lenkung erstaunlich hohe Kurvengeschwindigkeiten möglich. Das Auto liegt stabil wie ein Brett, was durch die straffe Federung/Dämpfung erreicht wird - noch ein bisschen straffer, und es wäre unkomfortabel. Aber so fährt man auch auf Langstrecke ganz entspannt, besonders weil der Motor so ruhig läuft und auch die Reifen- und Windgeräusche erstaunlich gering sind, so dass man auch bei höherer Geschwindigkeit Musik aus dem Radio über die recht ordentlichen Serienlautsprecher genießen kann. Die Bremsen greifen kräftig und gleichmäßig zu, und der Wendekreis ist sogar kleiner als bei meinem letzten Auto, dem kleinen Peugeot.