Seit Jahren hatte ich nur ein einziges Traumauto, das ich unbedingt zum 18. Geburtstag fahren wollte: Einen E32. Egal, was es sonst noch so gab, alles kalter Kaffee, alles uninteressant. Seit ich zwölf war, wollte ich einen solchen Siebener haben und kaufte mir zum Führerschein auch einen. Alle waren dagegen. Die Eltern erst recht, die Großeltern, die Freunde, einfach alle. Alle befürchteten, ich würde mich mit so einem Wagen übernehmen, zudem ist der E32 nun wirklich nicht sehr jugendlich. Aber so eine Gülle wie getunte Fiat Cinquecento, Renault Twingo, Golf III oder scharf gemachte Ford Escort mit tausend XR3i-Aufklebern wollte ich nicht, so was wirkt unendlich billig. So kam ein E32 ins Haus. Ein schwarzer 730i Automatik von 1989, mit schon 280.000 Kilometern, aber aus zweiter Hand (ein 1930 geborener Anwalt, der ihn seit vierzehn Jahren hatte). Die Karre kostete inklusive allem gerade mal 700 Euro und ist scheckheftgepflegt, wenn auch rundum verkratzt. Ich liebe meinen BMW einfach, höre darin (über das Serien-Radio Bavaria C II) sympathische Techno-Musik und mag es, damit durch die Gegend zu fahren, egal wann, egal wo, egal wohin, egal unter welchen Umständen. Vor allem mag ich es, an den Bushaltestellen diese schrecklichen Gymnasiasten, die überall suggerieren, wie vernünftig und stilvoll sie doch sind, aber dann doch eine Woche freimachen, um mit Freund und der Kohle der Eltern zu urlauben, zu ärgern. Das geht so: Extrem laute Techno-Musik hören, in der imperialroten Mikrofaserjacke von Onkel Norbert im E32 sitzen, vordere Fenster plus Schiebedach öffnen und mehrere Male hupen, eine Runde über den Parkplatz an der Haltestelle drehen und dann wieder wegfahren. Mag sein, dass sie über mich lachen, aber ich bin schneller als die alle in den von ihren Eltern finanzierten 6500-Euro-Golf, bei denen sie sich die Inspektion nicht leisten können und schon bald auf Motorschäden hocken. Und ich denke, ein bisschen neidisch sind die alle auch auf mich. Das Lachen fällt vor allem aus Neid sehr leicht, ich weiß das. Ich bin sehr stolz auf meinen Siebener, kann mir den Unterhalt zwar nur mit Ach und Krach leisten, aber E32 fahren, das gehört für mich zum Leben. Ich kann damit seriös wie Oberkommissar Schickl von SOKO 5113 durch die Gegend fahren, schrill wie Roberto Blanco in imperialroter Mikrofaserjacke, sportlich wie ein Hobby-Schumi oder so langsam wie Opa Eugen – das ist das Klassische, Zeitlose, was den E32 auszeichnet! Alles andere (vielleicht 190er Mercedes ausgenommen) wirkt entweder zu jugendlich, zu primitiv oder zu rentnermäßig, und daher wollte ich einen E32, ebenso wegen diesem unbeschreiblichen Fahrgefühl, das kein anderes Auto bietet. Selbst ein E34 mit großen Motor bietet da weniger Fahrspaß – vor allem weniger Machtgefühl beim Fahren – es gibt kein Auto, das so viel Macht und Professionalität versprüht wie ein alter E32! Zudem sind die Fahrzeuge und die Ersatzteile billig, die gibt’s mit Glück beim Schrottplatz für ganz wenig Geld, und insgesamt gelten die E32 völlig zu Unrecht als teure Umweltsünder. Meiner hat Euro 2, meiner hat einen Katalysator, meiner hat alles, was ihn erträglich macht für die Umwelt. Und ich finde es schrecklich, wenn irgendwelche Renault-19-Fahrer immer über die alten BMWs herziehen. Insgesamt darf der Unterhalt für Luxusklasse als sehr preiswert bezeichnet werden; wenn ich ein geregelter Einkommen hätte (das habe ich nicht, ich bin reiner Gelegenheitsarbeiter), könnte ich mir bestimmt auch einen 740i/750i leisten. Aber da der 730i mit genug Power bietet und schon mit seinen 188 PS ordentlich Speed macht, fahre ich ihn. Zum Versägen der 6500-Euro-Golfs dieser möchtegernprofihaften Abiturienten reicht’s aus, ebenso, um sich stark zu fühlen. Ich kann verstehen, wenn hier manche E32-Fahrer schreiben, ihr Image hätte sich seit dem Kauf dieses Autos gesteigert, und ich kann auch den Herrn, der hier im BMW gern alle Orte ansteuert, wo er junge Frauen treffen könnte, die er mit seinem Auto beeindrucken könnte, verstehen! Denn ich bin selber im Grunde so einer, der angibt mit seinem E32! Aber – nein, ich bereue es nie! Sicher könnte mich meine Kohle anders auch ausgeben, aber ich brauche das nicht! Lieber einen E32 und wenig sonstigen Luxus als ein von den Eltern finanziertes Luxusleben!