Renault Espace (1984-1991) Erfahrungsbericht
Hallo,
vielen Dank an Nick für die Historie. Ich möchte hier ein paar 'Gebrauchsinformationen' zu diesem Auto kundtun, gesammelt aus der Erfahrungen zahlloser Espace-Fahrer iim Forum der Espace-Freunde (http://www.espace-freunde.de).
Im Grunde seiner Konstruktion ist der Espace der ersten Generation (bis 1990) ein sehr robustes und langlebiges Auto. Rost ist auch nach 20 Jahren dank tauchverzinktem Chassis und Kunststoffkarosserie kein Thema und auch Motoren und Getriebe sind bei normaler Wartung langlebig. Mein eigenes Auto, Bj. 87, hat fast 300.000 km auf dem Tacho - mit dem ersten Motor und dem ersten Getriebe.
Wenn ich jetzt auf die typischen Macken zu sprechen komme, dann ist dabei immer zu berücksichtigen, daß die jüngsten Exemplare dieser Generation (die bis 12/90 produziert wurde) mittlerweile rund 15 Jahre alt sind.
Espace-fahren kann im Alltag immer wieder zu unliebsamen Überraschungen führen. Mal streikt der Anlasser, mal springt der Motor (trotz drehendem Anlasser) nicht an. Andere gehen während der Fahrt aus oder schütteln wie früher die Eisenbahn. In keinem dieser Fälle liegt ein dramatischer Defekt vor, aber alle kosten Nerven.
Dreht der Anlasser nicht, dann liegt das in 90% der Fälle am Steckkontakt des Magnetschalters. Dreht der Anlasser, aber der Motor springt nicht an, dann pumpt meist die Benzinpumpe nicht. Und das liegt an einem verharzten oder verkohlten Kontakt an der Sicherungsplatine oder einem hängenden Relais. Letzteres befindet sich unter dem linken Scheinwerfer - kein Mensch findet diesen Fehler 'zufällig'!
Geht der Motor während der Fahrt ohne weitere Symptome aus, dann liegt es am Relais der Einspritzanlage - direkt neben dem der Benzinpumpe. Spinnt vorher die Drehzahl, dann ist es entweder der Themofühler fürs Kühlwasser, dessen Steckkontakt oder ein verdrckter Leerlaufregler - den man aber auch in den meisten Fällen wieder gängig bekommt. Der teuerste der genannten Defekte ist das 'Schütteln' - das kommt vom inneren Gelenk der rechten Antriebswelle, das direkt über dem Auspuff liegt und das Fett in der Manschette dadurch extremen thermischen Belastungen ausgesetzt ist.
Treten alle genannten Fehler im Laufe eines Jahres auf, dann kosten sämtliche Reparaturen in Eigenregie und Verwendung einer gebrauchten Antriebswelle deutlich unter 500,- Euro.
Bringt man den Wagen jedesmal in die Werkstatt, ist man für die Behebung dieser Schäden schnell 2.000,- Euro los (incl. neuem Anlasser, neuer Sicherungsplatine, neuem Thermofühler und Leerlaufregler - alles Bauteile, die man reparieren bzw. erhalten kann).
Für seine Launenhaftigkeit entschädigt der Espace dafür im Alltag. Die schmalen Dachsäulen, die niedrige Gürtellinie und die riesige Frontscheibe schaffen auch ohne Glasdach eine sehr lichte Athmosphäre mit hervorragender Rundumsicht. Das hintere Ende des Autos liegt im Blickfeld, die Schnautze ist immer kürzer als man denkt. Überhaupt ist der ganze Wagen mit einer Länge von 4,26m (ab 1988: 4,36m) in etwa so lang wie ein moderner Golf - der Grand Scenic ist als 7-sitziger Kompaktvan 4,49m lang.
Wahre Größe zeigt der Espace der frühen Jahre dagegen beim Beladen: Entfernt man alle Rücksitze, stehen volle 3.000L (ab 1988: 3.050L) Laderaum zur Verfügung. Das ist fast das Doppelte von dem, was der Zafira zu bieten hat und mehr, als der aktuelle 'normale' Espace mit 40cm größerer Außenlänge.
Fährt man das Auto, dann stellt man bald fest, daß besonders der 2,2L-Benziner mit KAT nicht wirkt, als sei er fast 20 Jahre alt. Kräftig Drehmoment schon knapp über Leerlaufdrehzahl und Dauergeschwindigkeiten von gut 170 km/h bei einem Durchschnittsverbrauch von in der Regel 9-10 L erinnern an moderne Diesel - nur daß man hier eben Benzin bleifrei einfüllt. Leider sind aber auch die Wartungsintervalle Diesel-like (ok, war damals für Benziner normal: alle 10.000km) und die Steuer seit 1.1.2005 als Euro-1-Auto auch (331 Euro pro Jahr). Glücklicherweise gibt's aber Euro3-Kats für das Auto...
schon für unter 400,- Euro - die lohnen sich durch Steuerersparnis schon in weniger als 3 Jahren!
Man kann eigentlich generell sagen, daß man nur am Design (innen wie außen) wahrnimmt, daß man in einem 20 Jahre alten Auto sitzt. Die Fahrleistungen (s.o.) sind absolut zeitgemäß, das Fahrverhalten untadelig. Klar ist er kein Kurvenräuber, aber wenn man will, kann man so fahren, daß Otto Normalverbraucher mit seinem neuen Polo auf kurviger Strecke das Nachsehen hat. Allerdings Vorsicht besonders bei schwierigen Straßenverhältnissen: ESP war damals wohl noch nicht mal erfunden, ABS gab es nur für die späten Baujahre gegen Aufpreis. Airbags waren bei Renault noch unbekannt und im EuroNCAP-Crashtest würden die ersten Espace wohl eine negative Anzahl von Sternen sammeln...
Also schön langsam angehen lassen, dann muß man auch die Bremse nicht zu sehr malträtieren, die wahlweise zu hohem Verschleiß, schlechter Leistung oder zum Blockieren tendiert.
Ein ruhiger Fahrstil paßt auch am Besten zum Charakter des Autos, das eher Genußmittel als Streßabbau-Objekt sein will. Und in Ruhe kann man dann die hervorragende Aussicht genießen - der Blick schweift über die Dächer der anderen Autos, über manche Schall- und Sichtschutzzäune und über alle Leitplanken. Der Erfahrung nach ist Reisen im Espace auch deshalb so entspannend, weil die Kinder friedlicher sind. Die sehen nämlich viel mehr - und sind so abgelenkt. Aber schon wieder Vorsicht: Bis zum Modellwechsel Ende 1990/Anfang 1991 hatte der Espace hinten nur Beckengurte auf allen Plätzen! Zwar gab es Statik-Dreipunktgurt gegen Aufpreis, die sind aber heute selten, da sehr gesucht. Man findet auch immer wieder selbst eingebaute Dreipunktgurte - allerdings kann man da u.U. mehr schaden als nutzen (abschreckendes Beispiel: Gurtaufroller auf Kopfhöhe!). Und was die Versicherung zu solchen Umbauten sagt, will ich gar nicht wissen... :-(
Tja - bleibt zusammenzufassen: Viel Licht und viel Schatten. Was überwiegt, das muß jeder selbst wissen. Zu unterschiedlich sind die Ansprüche, die KO-Kriterien, die Vorlieben.
Ich selbst mag meinen nicht mehr hergeben. Die Kindersitze sind halt 'nur' mit den Beckengurten befestigt, sitzen aber trotzdem stramm. Wenn ich mal wieder stehenbleibe, kann ich mir selbst helfen. Und wenn etwas kaputt ist, bekomme ich preiswert gebrauchte Teile. Über die Espace-Freunde. :-)
Das Flair dieses Autos entschädigt für all die kleinen Macken - und die Nutzbarkeit überwiegt für mein Empfinden die konzeptionellen Nachteile (mangelnde Sicherheit).
Das alles muß - wie schon gesagt - jeder für sich entscheiden. Ich jedefalls bin glücklich und zufrieden mit diesem Auto!
P.S.
Der 2.2L-Katmotor hatte nie andere Leistungsdaten als 79kW/107PS, der 2L-Vergaser hatte 81kW/110PS und der Diesel bis Bj. 1990 immer 65kW/88PS. Erst im Nachfolgemodell gab es den Diesel ab 1994 auch mit 66kW/90PS.